Scheimpflug-Rechner-Symbol

 

Scheimpflug-Rechner (Fortsetzung)

Mehr Schärfentiefe ohne zusätzliches Abblenden und ohne Beugungsunschärfe

Bei Produktaufnahmen sowie bei Landschafts- und Architekturaufnahmen mit scharf abzubildendem Vordergrund kann der Fotograf die gewünschte Schärfentiefe oft nur durch starkes Abblenden erzielen, was leider deutliche Beugungsunschärfe erzeugt. Mit einer Fachkamera, die außer der Parallelverschiebung zur Vermeidung „stürzender Linien“ auch eine Scheimpflug-Schwenkung des Objektivs zur Verkippung der Schärfeebene bietet, kann er das sehr elegant vermeiden. Er gewinnt damit strenggenommen nicht größere Schärfentiefe, aber er kann sie besser an die räumliche Ausdehnung des Motivs anpassen.

Die dabei anzuwendende „Scheimpflugsche Regel“ wird meistens so formuliert: Bei geschwenktem Objektiv oder geschwenkter Bildebene haben Bildebene, Objektivebene und Schärfeebene (= die roten Linien in der folgenden Zeichnung) eine gemeinsame Schnittgerade S (senkrecht zur Zeichenebene, daher dort nur ein Punkt). Für die Praxis wäre jedoch die folgende Formulierung besser: Bei geschwenktem Objektiv oder geschwenkter Bildebene schneiden sich Bild- und Objektivebene in der Schnittgeraden S, und die vorher zur Bildebene parallele Schärfeebene verläuft dann ebenfalls (meistens schräg) durch diese Schnittgerade S.

Nimmt man die Scheimpflug-Schwenkung so vor, dass die (schräg) von S ausgehende Schärfeebene mitten durch das scharf abzubildende Motiv verläuft, reicht eine mit geringerer Abblendung erzielbare „schlankere“ keilförmige Schärfentiefe-Zone aus, um alles scharf abzubilden. Obwohl man dafür wahlweise das Objektiv oder die Bildstandarte schwenken könnte, muss man fast immer das Objektiv schwenken, weil eine schräge Bildebene stürzende Linien (noch dazu in falscher Richtung!) zur Folge hätte.

Schärfentiefe ohne und mit ScheimpflugDie Zeichnung demonstriert das mit mathematisch berechneter und exakt maßstäblich gezeichneter Schärfentiefe am Beispiel einer Aufnahme eines Spielzeug-Traktors (im Nahbereich ist die Schärfentiefe immer besonders knapp). Oben ist die verstellbare Fachkamera zur Behebung stürzender Linien nur parallelverschoben. Bildebene und Objektivebene bleiben parallel und senkrecht. Auch die Ebene bester Schärfe ist dann zu diesen Ebenen parallel. Die Schärfentiefe ist vorn kleiner als hinten. Wovon das Teilungsverhältnis zwischen vorderer und hinterer Schärfentiefe abhängt, erfuhren Sie im ersten Teil.

Die Scheimpflug-Schwenkung wird mit dem Objektiv durchgeführt, damit keine stürzenden Linien entstehen. Die oben umformulierte Scheimpflugsche Regel sagt, dass die Schärfeebene bei geschwenktem Objektiv von der Schnittgeraden S aus zum Hintergrund hin verläuft. Man muss also durch Schwenken des Objektivs die Schnittgerade S so tief legen, dass eine von S aus gedachte Schärfeebene mitten durchs Motiv verläuft. Wie man das schrittweise macht (es gibt mehrere Möglichkeiten!), erfahren Sie z.B. im Linhof-Seminar. Hier geht es nur darum, dass man den Schwenkwinkel auch ganz anders mit Hilfe meiner Schärfentiefe- und Scheimpflug-Rechenscheibe ermitteln kann.

Wie Sie in der Zeichnung sehen, ist die zuvor von parallelen Ebenen begrenzte Schärfentiefe nach der Scheimpflug-Schwenkung keilförmig geworden und verläuft von der Keilkante K schräg ansteigend idealerweise genau mitten durch das Motiv. Dabei verteilt sich die Schärfentiefe vor und hinter (= über und unter) der Schärfeebene symmetrisch – die Schärfeebene bildet fast genau die Winkelhalbierende des Keils. Weil das Motiv horizontal weiter ausgedehnt ist als vertikal, reicht der schlanke Schärfentiefe-Keil von Blende 8 aus, während bei gleicher Blende ohne Scheimpflug die vertikale Schärfentiefe-Zone (oberes Bild) zu knapp gewesen wäre und erst eine Abblendung auf einen Wert zwischen 11 und 16 gereicht hätte, das gesamte Motiv scharf abzubilden.

Die Scheimpflug-Schwenkung hilft allerdings nicht immer. Wenn sich z.B. im Vordergrund ein sehr hohes Motiv befindet, etwa eine stehende Weinflasche, ist die schmale, aber unendlich hohe vertikale Schärfentiefe-Zone ohne Scheimpflug meistens die richtige Lösung. Legen Sie die Weinflasche jedoch flach so auf den Tisch, dass sie annähernd in Aufnahmerichtung von vorn nach hinten ausgerichtet ist, haben Sie aber wieder ein Motiv, bei dem die Scheimpflug-Schwenkung möglich und nützlich ist.

Weil bei Landschaftsaufnahmen oft vom sehr nahen Vordergrund, etwa einem bizarren Stein oder blühenden Strauch, bis zum fast unendlich weiten Hintergrund alles scharf abgebildet werden soll, ist hier die Scheimpflug-Schwenkung besonders nützlich.

Landschaft ohne und mit Scheimpflug

Wenn Sie bei einem weit in die Tiefe reichenden und im Vordergrund nicht zu hohen Motiv dank Scheimpflug-Schwenkung eine, zwei oder gar drei Blendenstufen einsparen, verhindern Sie nicht nur Beugungsunschärfe. Sie erhalten bei Dauerlicht auch eine entsprechend kürzere Belichtungszeit, die Bewegungsunschärfe verhindert, wenn z.B. in Landschaftsaufnahmen Autos fahren oder Blätter vom Wind bewegt werden. Bei Blitzaufnahmen verschafft die größere Blendenöffnung eine größere Reichweite, und der Profi kann im Studio bei seinen Sachaufnahmen mit einer weniger starken, also weniger teuren Blitzanlage auskommen.

Mit dieser Rechenscheibe können Sie den Scheimpflug-Schwenkwinkel berechnen

Scheimpflug-RechenscheibeWie ich schon sagte, gibt es mehrere Möglichkeiten, den richtigen Schwenkwinkel zu finden. Ich rate jedoch von der oft benutzten, aber sehr ungenauen Methode ab, zunächst wegen der dort besser kontrollierbaren Schärfe das Rückteil zu schwenken, diesen Winkel in entgegengesetzter Richtung auf das Objektiv zu übertragen und danach das Rückteil wieder senkrecht zu stellen ist, damit keine stürzenden Linien entstehen.
Ungenau ist diese Methode, weil die Scheimpflug-Schärfeebene fast immer schräg nach hinten ansteigt und dann der Schwenkwinkel des Objektivs kleiner als der des Rückteils sein muss. Der Unterschied zwischen beiden Winkeln (= der Fehler) kann groß werden!

Zur Berechnung des Objektiv-Schwenkwinkels mit der Rechenscheibe gibt man (ggf. nach Entzerrung durch Parallelverschiebung) gemäß Bedienungsanleitung in der Reihenfolge der Nummern auf der Rechenscheibe die dort angegebenen Parameter ein.

Wer das einige Male gemacht hat, braucht später die Anleitung nicht mehr, sondern nur die Hinweise 1 bis 4 auf der Rechenscheibe selbst zu beachten. Nach der Einstellung der vier Parameter auf der Rechenscheibe ist der richtige Schwenkwinkel unter Nr. 5 am Teilstrich des grob geschätzten Neigungswinkels beta (0°- 40°) der Schärfeebene an der roten Kante abzulesen.

Klicken Sie auf das Bild der Rechenscheibe, um eine PDF-Datei der Bedienungsanleitung zu erhalten. Dort finden Sie weitere Details und Zeichnungen, die alles leicht verständlich erklären. Die Rechenscheibe besteht aus Kunststoff. Die Skalen 1 und 2 liegen nicht hinter offenen Ausschnitten, sondern gut geschützt hinter Klarsichtfenstern. Die Schutzhülle hat separate Fächer für die Anleitung und die Rechenscheibe, damit die Anleitung beim Einschieben der Rechenscheibe nicht beschädigt werden kann.

Diese Rechenscheibe soll in erster Linie zur Blendenermittlung für die gewünschte Schärfentiefe dienen. Die mit der Rückseite der Rechenscheiben mögliche Berechnung des Scheimpflug-Schwenkwinkels hatte ich eigentlich nur als eine kleine mathematische Herausforderung an mich selbst entwickelt, um zu zeigen, dass so eine Berechnung möglich ist. Für eine wesentlich einfachere Ermittlung des Scheimpflug-Schwenkwinkels habe ich eine spezielle Methode und ein Diagramm entwickelt, das Sie zur privaten Verwendung per Klick auf den folgenden Link als kostenlose PDF-Datei herunterladen können (nicht zur Verbreitung per eMail, über das Internet oder zu anderweitiger Vervielfältigung!). Drucken Sie diese DIN-A4-Seite aus, falten Sie das Blatt mit der bedruckten Seite nach außen auf DIN-A5 und stecken Sie es in eine DIN-A5-Klarsichthülle. Sie können sich durch Nachziehen der horizontalen Linien der Brennweiten Ihrer eigenen Objektive mit einem dicken Faserschreiber und Lineal das Ablesen erleichtern.

Wo kann man die Schärfentiefe- und Scheimpflug-Rechenscheibe kaufen?

Diese Rechenscheibe wurde von Rodenstock Fotooptik (Qioptiq Photonics GmbH & Co. KG) vertrieben und konnte dort bestellt werden. Die Internetseite, zu der mein hier angegebener Link geführt hat, existiert jedoch leider nicht mehr.

Aber da ich noch eine kleine Stückzahl habe, können Sie die Rechenscheibe für 42,- Euro plus 3,75 Euro Versandkosten für ein Großbrief-Einschreiben (da über 50 g), also für 45,75 Euro, auch direkt von mir bekommen. Sie finden meine eMail- und meine Postadresse zur Kontaktaufnahme auf meiner Startseite. Ich sende Ihnen dann zunächst eine Bestellbestätigung und die zur Überweisung erforderlichen Bankdaten sowie nach Eingang Ihrer Zahlung die Rechenscheibe in einer Kunststoff-Schutzhülle, eine gedruckte Bedienungsanleitung sowie eine quittierte Rechnung mit ausgewiesener MwSt. per Großbrief-Einschreiben zu. Bei Versand in ein anderes Land ergeben sich gemäß den aktuellen Post-Tarifen höhere Versandkosten.

 

 

 

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